Nass. Nasser. Münsterland Giro.

Alles begann am Ende des Jahres 2020, mit einer Anmeldung zum ersten großen Radrennen, in meiner noch recht frischen sportlichen Aktivität auf dem Rennrad. Es sollte nach Hamburg gehen und so hatten ein Freund und ich uns einen Startplatz, für die Streckenlänge von 100 Kilometer, bei den Bemer Cyclassics 2021 ergattern können. Heilfroh, jedoch mit Respekt bedacht, starteten wir mit dem Training, welches wir mit den Ausfahrten des Radsportteams kombinierten.

Der Sommer schritt immer weiter voran und die unzähligen Trainingskilometer machten sich deutlich bemerkbar. Doch Anfang August wurde dann im Laufe des Tages eine E-Mail verschickt, die all diese Trainingskilometer, verschlissenen Ketten und gefluchten Wörter zu Nichte machen sollte. Die Fallzahlen während der Corona Pandemie haben sich in Hamburg leider dahin entwickelt, dass eine Veranstaltung mit über 10.000 Teilnehmern nicht zulässig war. Somit blieb dem Veranstalter nur die Absage des Events.

Sichtlich enttäuscht aber immer noch hoch motiviert, ging es auf eine Trainingseinheit, die eher dem Frustabbau diente als der Trainingsqualität. Ein paar Tage vergingen als ich einem Vereinskollegen während einer Ausfahrt von der Absage erzählte. Dieser sprach dann etwas vom Münsterland Giro und dass ich mal schauen sollte, ob das Event in diesem Jahr stattfinden würde. Gesagt getan machte ich mich an die Recherche und war hoch erfreut, dass die Stadt Münster dem Münsterland Giro im Jahr 2021 grünes Licht gegeben hatte.

Ein Blick in den Terminkalender reichte aus und im nächsten Augenblick war ich auch schon – leider allein – für die 95km Strecke am 3. Oktober quer durchs Münsterland angemeldet.

Von da ab an, wurde das Training spezifischer. Immer mehr Intervall- und Tempoeinheiten wurden eingebaut, damit ich bestmöglich auf den Giro vorbereitet war. Immerhin blieben mir auch nur noch gut sechs Wochen Zeit bis zum Startschuss. Etwas Gutes hatte es auch nebenbei, denn so konnten viele Kilometer fürs Stadtradeln gesammelt werden.

Während weiterer Trainingskilometer, wurde ein anderer Radsport Kollege auf das Event aufmerksam und so standen wir am Morgen des 3. Oktober zusammen an der Startlinie. Ich, der Rookie und er, der in den Niederlanden Rennen fährt.

Früh morgens, frisch gestärkt mit einer Portion Müsli und circa 2 Tassen Kaffee, ging es für meine Freundin, die mich begleitete und mich dann Richtung Münster. Je näher wir der Stadtgrenze kamen desto mehr wuchs auch die Aufregung. Denn eins war klar, einfach wird es nicht. Der Wettergott hatte in der Nacht wohl schlecht geschlafen 😉 und so sind wir bereits mit leichtem Nieselregen in Münster angekommen. Zum Glück fuhr der Kollege einen Bulli, sodass ich mich dort umziehen konnte.

 

Noch einmal geschaut ob alles dabei ist, die Startnummer an das Rad geklebt und los ging es zum Startbereich, wo ich mich erstmal ein bisschen warm gefahren habe. Der Startbereich war in Blöcke von A bis E eingeteilt. Uns hatte man in den Block C gepackt und da warteten wir nun darauf, dass es endlich los geht. Handschuhe an, Brille auf, ein letztes Foto wurde gemacht und dann kam der Startschuss für unseren Block. 

Die ersten Kilometer flogen nur so an mir vorbei, denn ich hatte mich in den Windschatten meines Kollegen gehängt, der von Anfang an Druck machte. (Komisch, vorher hatte er mir noch gesagt wir fahren ganz entspannt und genießen die Strecke. Nun ja, es war auch irgendwie ein Erlebnis so schnell durch Münster zu fahren, vorbei an den Motorrädern die als Begleitfahrzeuge dienten.)

 

Doch nach den ersten 20 Kilometern schaute ich auf meine Uhr und habe bitterlich feststellen müssen, dass ich bereits in einem Herzfrequenzbereich unterwegs war, den ich lieber erst gegen Ende des Rennens erreichen wollte. Somit habe ich ihm ein Zeichen gegeben, dass er das Tempo beibehalten soll, ich mich aber zurückfallen lasse, um wieder Kraft zu tanken. Meine Rettung war eine Gruppe mit etwa 20 Fahrern, wo ich mich nun erstmal hinten reingehängt habe um mich wieder zu Sortieren.

Genug Kraft getankt und wieder Herr meiner Sinne, ging es wieder in den Angriff, um doch wieder vorne mit dabei Fahren zu können. Ein älterer Herr aus dem Sauerland hatte dieselbe Idee und so machten wir zwei uns auf den Weg. Wir wechselten uns in der Führungsarbeit immer wieder ab, so hatte er mich beispielsweise in den Berg gefahren und auf den Flachetappen war ich dann wiederum vorne.

Wir hatten etwa die Hälfte des Rennens hinter uns, als der Wettergott dann noch einmal eine Schippe drauf gelegt hatte. So wurde aus dem anfangs leichten Nieselregen, heftiger Starkregen und eine Windstärke, wo der Ostfriese sagen würde, dass es nun auch bei ihnen windig sei. So musste man in den Kurven schon ordentlich abbremsen und langsam aus Waldgebieten raus fahren, jedoch standen selbst bei dem starken Regen immer noch die vielen netten Streckenposten an den Gefahrenstellen und haben jeden einzelnen Rennteilnehmer darauf aufmerksam gemacht. Einfach toll diese Menschen!!!

An einer Abfahrt, als es dann zusätzlich auch noch Rückenwind gab, trennten sich dann unsere Wege und der Sauerländer war nicht mehr in Sichtweite. Gut, habe ich mir gedacht, den hast du abgehängt – schlecht habe ich mir gedacht, denn nun war ich auf mich allein gestellt. Die nächste Gruppe war noch nicht in Sichtweite als ich zum Glück an einem Versorgungsposten vorbei kam, wo ich meine Versorgungsgüter wieder auffüllen konnte. So habe ich schnell auf eine 16 Fahrer starke Gruppe aufschließen können, um dort die letzten 15 km des Rennens mitzufahren. Während es Seitenwind gab, hatte ich mir aufgrund der Sicherheit, dann überlegt, die Windkannte anzuführen, was mir dann aber auch die letzten Kraftreserven geraubt hat.

Sichtlich erleichtert war ich als wir an dem Schild vorbei kamen, was uns signalisiert hat, dass sich in zwei Kilometern das Ziel befindet. Komplett durchnässt, hungrig und mit einer überfüllten Blase (man will ja nicht anhalten, denn so könnte man ja Plätze verlieren) sind wir dann auf eine dem Wetter angepasste aber recht gut gefüllte Zielgerade eingebogen. Der Applaus der Menschen und die Glückwünsche innerhalb der Gruppe waren ein wahnsinniges Gefühl und so steht fest, das war nicht mein letztes Rennen!

Im Zielbereich habe ich dann auch wieder meinen Radsport Kollegen, mit dem ich am Anfang gestartet war, getroffen. Wir haben dann schnell unseren Zielbeutel abgeholt, in dem sich Werbegeschenke ortsansässiger Firmen befanden. Danach haben wir nur noch zugesehen, dass wir schnell zum Auto kommen, denn die Nässe der Kleidung hat dazu geführt, dass der Körper auskühlte.

Schachmatt, aber überglücklich in Haselünne angekommen, wurde nur noch der Gang aus der Dusche ab aufs Sofa gemacht und so wurde der restliche Sonntag am Fernseher verbracht, denn am Nachmittag waren die Profis wie beispielsweise Mark Cavendish oder Andre Greipel beim Münsterland Giro an der Reihe. Für Andre war es zudem ein besonderes Rennen, denn der gebürtige Rostocker beendete mit dem Münsterland Giro seine 17-jährige Karriere als Profi. Während dieser Karriere gewann er beispielsweise elf Etappen bei der Tour de France.

Wer also nun Blut geleckt hat und nach einer sportlichen Herausforderung sucht, der sollte sich schleunigst bei uns melden.

Christian Schmidt

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